Der perfekte Schlafrhythmus für Babys: Was Eltern wissen müssen
Schlafbedarf, Schlafdauer, Schlafphasen - der Weg zum individuellen Schalfrhythmus
So unterschiedlich wir Menschen sind, so unterschiedlich sind unseres Schlafgewohnheiten. Und genau so ist es auch bei Babys. Jedes Baby, ob Neugeboren oder schon älter, entwickelt seine Eigenheiten und das bezieht sich auch auf Schlafbedarf, Schlafdauer und Schlafphasen. Viele Eltern sind anfangs unsicher, ob und wie sie alles richtig machen können. Deshalb haben wir mit zwei Schlafexpertinnen, die sich mit dem Schlaf von Babys bestens auskennen, über häufig gestellte Fragen zum Thema Schlafrhythmus bei Babys gesprochen. Danke an dieser Stelle für eure Zeit unsere Fragen zu beantworten und eure Experten-Tipps!
Ehrenkind Magazin: Caroline und Tanja, ihr als Schlafexpertinnen und Mütter, was sagt ihr, wie viel Schlaf brauchen Babys?
Caroline Helming: Der Schlafbedarf variiert stark von Kind zu Kind und ist stark vom Alter abhängig. Neugeborene schlafen beispielsweise in den ersten Lebenswochen 16 bis 18 Stunden pro Tag, aufgeteilt in mehrere Phasen. Mit etwa 6 Monaten sinkt der Schlafbedarf auf etwa 14 Stunden täglich. Drei Jahre alte Kinder kommen hingegen häufig mit 12 Stunden oder weniger aus. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Zahlen Durchschnittswerte sind. Manche Kinder brauchen mehr, andere weniger Schlaf.
Das wichtigste Anzeichen, dass dein Kind ausreichend schläft, ist, dass es tagsüber ausgeglichen und zufrieden wirkt. Lange Wachphasen in der Nacht oder sehr frühes Aufwachen (vor 5 Uhr) können ebenso auf ein Schlafdefizit hinweisen.
Tanja Schierlinger: Der Schlafbedarf ändert sich in den ersten Lebensjahren stetig. In den ersten 4-5 Lebensmonaten schwankt der Schlafbedarf noch sehr, hier kann es große Unterschiede geben. Folgende Werte können als Orientierung dienen:
- 2-3 Monate: 14-18 Stunden Schlaf in 24 Stunden
- 4-5 Monate: 14-16 Stunden Schlaf in 24 Stunden
- 6-7 Monate: 14-15 Stunden Schlaf in 24 Stunden
- 8-9 Monate: 13,5-15 Stunden Schlaf in 24 Stunden
- 10-12 Monate: 12,5-14 Stunden Schlaf in 24 Stunden
- 13-24 Monate: 12-14 Stunden Schlaf in 24 Stunden
Wie bei uns Erwachsenen gibt es aber auch Wenig- und Vielschläfer. Bestenfalls orientiert man sich an Müdigkeitsanzeichen und der Laune des Kindes. Sollte man unsicher sein, können die Richtwerte eine Orientierungshilfe sein.
Schlaftabelle zum Schlafbedarf von Kindern von SleepingLittlePanda.
Ehrenkind Magazin: Caroline und Tanja, ihr seid euch einig, dass Kinder einen individuellen Schlafbedarf haben. Manche brauchen mehr Schlaf, andere weniger. Aber wie können Eltern feststellen, dass ihr Baby müde ist?
Caroline Helming: Typische Anzeichen für Müdigkeit sind Gähnen, Augenreiben, Weinen, Desinteresse an der Umgebung und Unruhe. Manche Babys ziehen auch an ihren Ohren oder wirken überreizt. Allerdings gibt es auch Kinder, die ihre Müdigkeit kaum bis gar nicht zeigen. In solchen Fällen ist es hilfreich, sich an altersgerechten Wachzeiten zu orientieren. Diese können ein wahrer Gamechanger für viele Familien sein. Aber auch hier gilt: Es handelt sich um Richtwerte, nicht um feste Vorgaben.
Einen Überblick über die altersgerechten Wachzeiten findest du hier.
Bitte bedenke trotzdem, dass jedes Kind anders ist und dass es nicht darum geht ein Kind auf irgendeine ”Zahl” zu ziehen. Müdigkeitsanzeichen haben immer Vorrang! Nimm diese Zahlen bitte also nur als grobe Richtwerte!!!! Lass dich dadurch nicht verunsichern, wenn dein Kind länger oder kürzer durchhält!!!
Schlaf- & Familienberaterin Caroline Helming.
Tanja Schierlinger: Nicht jedes Baby zeigt eindeutige Müdigkeitsanzeichen. Daher fällt es einigen Eltern schwer, den richtigen Zeitpunkt für ein Schlafangebot zu finden - Übermüdung ist nicht selten die Folge. Hier kann es helfen, sich an den altersentsprechenden Richtwerten für die Wachzeiten zu orientieren.
Folgende Müdigkeitsanzeichen sind typisch (von leichten Anzeichen bis starken Anzeichen):
1. Kind starrt ins Leere oder wendet den Blick ab
2. Augenpartie färbt sich rötlich & Blick wird glasig
3. Gähnen
4. Augen/Ohren reiben
5. Quengeln, Unruhe
6. Schreien, Anspannung, Überstrecken
Bereits bei den ersten Anzeichen sollte man die Schlafroutine starten. Wenn ein Baby gähnt und die Augen reibt, liegt häufig schon eine leichte Übermüdung vor.
Ehrenkind Magazin: Ab wann entwickeln Babys einen festen Schlafrhythmus und ab wann schlafen Babys durch?
Caroline Helming: Ein relativ stabiler Schlafrhythmus stellt sich etwa ab dem sechsten Lebensmonat ein, während der Tag-Nacht-Rhythmus meist um den dritten Monat entsteht. Wann ein Baby "durchschläft", ist sehr individuell. Einige wenige Kinder tun dies bereits innerhalb der ersten sechs Monate, andere hingegen erst im (höheren) Kleinkindalter.
Du kannst darauf vertrauen, dass dein Kind irgendwann durchschläft, ohne dass du als Elternteil aktiv eingreifen musst. Da der Zeitpunkt jedoch unvorhersehbar ist, sollte das Durchschlafen nicht als persönliches Ziel fokussiert werden, um Frust und Druck zu vermeiden. Bezüglich dieses Themas kursieren leider viele falsche Informationen. Eltern sollten sich und ihrem Kind hier keinen unnötigen Druck machen.
Tanja Schierlinger: In den ersten 4-5 Lebensmonaten ist der Schlaf oft eher zufällig auf Tag und Nacht verteilt - es gibt noch keinen festen Rhythmus. Erst danach kann man bei den meisten Babys ein festes Schlafmuster erkennen. Es ist ein reiner Mythos, dass Babys ab sechs Monaten durchschlafen. Sicherlich haben ein paar Babys die Fähigkeit dazu, jedoch ist es für die Masse der Babys völlig normal, wenn sie noch das komplette erste Lebensjahr über nachts Milchmahlzeiten einfordern und auch regelmäßig zwischenerwachen.
Wie auch wir Erwachsenen erwachen Babys nachts regelmäßig und sie brauchen dann häufig Co-Regulation, um in den nächsten Schlafzyklus überzugehen. Wie viel Unterstützung ein Baby dafür braucht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. wie z.B. genetische Faktoren, Selbstregulationsfähigkeit, Hirnreife, Vorhandensein von bestehenden, prägenden Ein-/Weiterschlafgewohnheiten und Tagesstrukturen bzw. passender Schlafdruck für die Nacht.
Rituale können helfen einen gesunden Schlafrhythmus zu fördern
Ehrenkind Magazin: Pendelt sich der Rhythmus von selbst ein oder kann/muss ich ihn als Elternteil trainieren?
Caroline Helming: Der Schlafrhythmus entwickelt sich von selbst, doch Eltern können durch sanfte Routinen und regelmäßige Schlafangebote unterstützend wirken. Denn die wenigsten Babys schlafen "einfach so" ein, nur weil sie müde sind.
Tanja Schierlinger: Manche Babys brauchen mehr Unterstützung als andere und es kann folglich für manche Eltern sinnvoll sein, einen festen Rhythmus zu etablieren. Dies bedeutet nicht, dass man sich nur auf passende Wachzeiten über den Tag konzentriert, sondern auch feste Schlafrituale etabliert, damit der Schlaf für das Baby vorhersehbar wird.
Ehrenkind Magazin: Dass sich der Schlafrhythmus bei Babys selbst entwickelt, lässt jetzt einige Eltern sicher erleichtert aufatmen. Was ist euer Tipp, welche Rituale helfen, einen gesunden Schlafrhythmus zu fördern?
Caroline Helming: Rituale und Routinen helfen Babys, zu verstehen, was als Nächstes passiert, und erleichtern so das Einschlafen. Diese Rituale sollten dem Alter und den Vorlieben des Kindes entsprechen und dürfen immer wieder mal neu angepasst werden.
Für Babys können Rituale wie ein Bad, leises Singen, Stillen, Tragen oder eine Massage beruhigend wirken.
Bei Kleinkindern sind Bilderbücher, Geschichten oder das Verabschieden von Spielzeug beliebte Rituale. Wichtig ist, realistische Erwartungen zu haben: 30 Minuten Einschlafzeit oder mehr sind, insbesondere im Kleinkindalter, völlig normal.
Tanja Schierlinger: Gerade für sensible oder auch reizoffene Kinder ist es sehr hilfreich, eine feste Schlafroutine zu etablieren. Dabei gilt das Prinzip, dass der Schlaf maximal vorhersehbar gemacht wird und es immer wiederkehrende Elemente gibt, die dem Kind Halt und Sicherheit geben.
Für ein Baby ab 4-5 Monaten macht es also Sinn, solche Rituale zu etablieren - tagsüber wie abends.
Im ersten Lebensjahr könnte das folgendermaßen aussehen: Stillen/Flasche und/oder feste Nahrung - Hygiene - waschen - wickeln - anziehen - abdunkeln - passiver Teil, z.B. allen Körperteilen gute Nacht sagen oder eine kleine Massage - Schlaflied - Einschlafbegleitung.
Natürlich dürfen die Eltern auch selbst kreativ werden und schauen, was dem Baby gefällt.
Ehrenkind Magazin: Bei Recherchen zum Thema Babyschlaf liest man auch immer wieder etwas zu bestimmten Regeln, wie z.B. die 2-3-4-Regel, die bei der Entwicklung eines Schlaf-Wach-Rhythmus helfen soll. Wie steht ihr zu solchen Regeln?
Caroline Helming: Es gibt diverse, kursierende "Regeln", wie u.a. auch die 2-3-4-Regel, ja. Ich persönlich bin allerdings kein Fan von keiner dieser „Regeln“, da sie alle Kinder über einen Kamm scheren. Jedes Kind ist unterschiedlich, und was bei dem einem funktioniert, kann beim anderen nicht passen. Gerade die 2-3-4-Regel funktioniert, wenn überhaupt, häufig nur in einem sehr kurzen Zeitraum, etwa zwischen dem 8. und 10. Lebensmonat, da sich der Schlafbedarf ständig ändert.
Wenn eine solche „Regel“ jedoch bei dir gerade gut passt: Never change a running system!
Tanja Schierlinger: Starre Regeln passen meist für die wenigsten Babys. Aber es gibt Tabellen mit altersentsprechenden Durchschnittswerten (Gesamtschlaf, Anzahl Schläfchen, Wachzeiten), an welchen man sich orientieren kann. Viel wichtiger ist es aber, einen ganzheitlichen Blick auf das Schlafverhalten zu werfen. Bei größeren Herausforderungen kann hier ein Schlafberater dabei unterstützen, eine passende Tagesstruktur zu etablieren.
Ehrenkind-Magazin: Was kann ich tun, um meinem Baby beim Einschlafen zu helfen?
Caroline Helming: Das Wichtigste ist, herauszufinden, was dein Baby braucht, um gut einzuschlafen. Das kann Stillen, Tragen, Kuscheln oder sanftes Streicheln sein. Alles, was sich für die Familie richtig anfühlt, ist erlaubt. Es gibt keine „richtigen“ oder „falschen“ Einschlafhilfen, solange sie funktionieren und keine Belastung darstellen. Falls nötig, kann man sanft an den Einschlafhilfen arbeiten und sie Schritt für Schritt verändern. Die wichtigste Voraussetzung beim Einschlafen ist der richtige Zeitpunkt! Denn wenn dein Kind nicht müde genug oder übermüdet ist, ist Einschlafen häufig schwierig.
Tanja Schierlinger: Es gibt einige Faktoren, die das Einschlafen erleichtern. Die wichtigsten sind:
-
Prall gefüllter Bindungstank
-
Der richtige Zeitpunkt für das Schlafangebot
-
Vorhersehbare Schlafrituale
-
Reizarme Schlafumgebung
-
Zeit für die Einschlafbegleitung einplanen (kein innerer Stress)
-
Dunkelheit, insofern der Schlaf zu Hause stattfindet im Bettchen
Ehrenkind Magazin: Neben Ritualen die das Einschlafen begleiten und dem richtigen Zeitpunkt, bleibt noch die Frage nach dem Schlafort. Wie sieht die ideale Schlafumgebung für Babys aus?
Caroline Helming: Die ideale Schlafumgebung ist ruhig, dunkel und gut belüftet. Eine Raumtemperatur zwischen 16 und 18 Grad Celsius ist ideal. Babys sollten auf einer festen Matratze ohne Kissen oder Decken schlafen, um das Risiko des plötzlichen Kindstods (SIDS) zu verringern. Die meisten Babys schlafen am ruhigsten im Familienbett.
Tanja Schierlinger: Der Schlafort sollte frei sein von Decken, Kissen und anderen Objekten. Weiterhin sollte es kein Platz zum Spielen sein. Ein Gitterbett sollte beispielsweise nicht als Laufstall verwendet werden. Babys brauchen zum Einschlafen eine ruhige und reizarme Schlafumgebung. Auch Mobiles und andere, eher aktivierende Utensilien würde ich weglassen.
Ehrenkind Magazin: Wie kann ich verhindern, dass mein Baby unruhig schläft und nachts oft aufwacht?
Caroline Helming: Eine beruhigende, sichere Schlafumgebung, ein fester Schlafrhythmus und Rituale helfen, Unruhe zu minimieren.
Dennoch sollte man realistisch bleiben: Babyschlaf kann anstrengend sein!
Es lässt sich vieles beeinflussen, aber nicht alles.
Tanja Schierlinger: In den ersten 5-6 Lebensmonaten hängt es von sehr vielen Faktoren ab (die man als Eltern gar nicht großartig beeinflussen kann), wie häufig ein Baby nachts erwacht oder wie unruhig es schläft.
Vieles ist genetisch vorgegeben (Sensibilität, Temperament) und kann nicht beeinflusst werden.
Ab dem 4. Monat sollte man auf regelmäßige Schlafangebote achten sowie auf das Etablieren von Schlafritualen. Auch Dunkelheit beim Schlafen kann helfen.
Sollte das Baby in einem Alter von 6 Monaten noch sehr häufig erwachen - und insofern die Eltern darunter leiden - kann man ab diesem Alter an bestehenden, prägenden Gewohnheiten wie z.B. Dauernuckeln oder ständige Bewegungsreize/Tragen sehr gut arbeiten. Wichtig ist dabei, dass man einen sehr sanften Weg wählt! Ein Baby sollte dabei nicht weinen müssen! Es gibt inzwischen bindungsorientierte Wege, den Schlaf eines Babys zu verbessern. Ich habe einen Online-Kurs entwickelt, um den Eltern alles an Schlafwissen an die Hand zu geben, damit sie ihre Schlafsituation individuell passend und sanft verändern können.
Ehrenkind Magazin: Danke, liebe Caroline und Tanja für euren Experten-Input. Habt ihr zum Schluss noch einen speziellen Tipp für alle Neu-Eltern?
Caroline Helming: Kauft meinen Online-Kurs „Babyschlaf von Anfang an“! Nein, Spaß beiseite. Der wichtigste Tipp ist: Zweifelt nicht an euch oder eurem Kind und vergleicht euch nicht. Ab dem vierten Monat werden die Nächte häufig unruhiger – das ist normal. Babys schlafen nicht „schlecht“, sondern genauso, wie es die Natur vorgesehen hat: „Ich war neun Monate in Mamas Bauch – ich BRAUCHE Nähe und Sicherheit!“
Bedeutet: Babys schlafen gerne auf oder an einem. Auch häufiges Aufwachen und Nuckeln ist absolut altersgerecht.
Es sind nicht unsere Kinder, die das Problem sind, sondern unsere überzogenen Erwartungen, die wir an sie stellen.
Tanja Schierlinger: Viele Neu-Eltern lassen sich sehr stark beeinflussen von außen: Familie, Bekannte, Freunde, Social Media… die Liste ist lange. Das macht Elternschaft heute nicht einfach - die Flut an Informationen ist riesig. Viele Eltern verlieren hier den Zugang zu ihrer eigenen Intuition. Sie wissen gar nicht mehr, was richtig oder falsch ist.
Daher ist mein Tipp: hört weniger auf die Stimmen von außen und mehr auf eure Intuition!
Fazit: Geduld und Flexibilität sind entscheidend
Jedes Baby ist einzigartig, und der perfekte Schlafrhythmus wird nicht von heute auf morgen erreicht. Mit Geduld, liebevollen Ritualen und einer konsistenten Tagesstruktur können Eltern jedoch wesentlich dazu beitragen, dass ihr Baby ruhiger und erholsamer schläft. Vor allem sollten Eltern sich darauf einstellen, dass der Schlaf in den ersten Monaten von vielen Unterbrechungen geprägt ist – das gehört zur normalen Entwicklung eines Babys. An alle Eltern: Ihr seid nicht allein! Bei Fragen oder Unsicherheit gibt es dann zum Glück so tolle Expertinnen, wie Caroline und Tanja, die Eltern dabei unterstützen, ihren individuellen Weg zu finden.